Die Betroffenen stehen oft relativ hilflos vor der großen Anzahl an Vorschriften, die den Weg zum Führerschein begleiten. Auf diesen Seiten sind die wichtigsten Punkte dargestellt, um ein wenig Licht ins Dunkel zu bringen.
Weiterführende Informationen zum Thema “Mobil mit Behinderung” finden Sie hier.
Erstellt durch den Leiter der Beratungsstelle für Behindertenmobilität beim TÜV Südwest
Herrn Rolf Lempp.
Die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) regelt die Zulassung von Personen und Fahrzeugen zum Verkehr auf öffentlichen Straßen. In ihr finden sich die rechtlichen Grundlagen für alle Verkehrsteilnehmer.
Über die Zulassung entscheidet die Verwaltungsbehörde, das ist die Führerscheinstelle des Landratsamtes, des Ordnungsamtes, oder der Stadtverwaltung.
Aber die Erteilung einer Fahrerlaubnis ist kein Gnadenakt:
Jeder erwachsene Bürger hat ein Recht auf eine Fahrerlaubnis, auch wenn diese wegen eingeschränkter körperlicher Fähigkeiten unter Umständen auf Fahrzeuge mit einer ganz bestimmten Ausrüstung oder gar auf bestimmte Einzelfahrzeuge beschränkt sein kann.
Die Fahrerlaubnis kann und muß nur bei erwiesener Nichteignung verweigert werden.
Nun sind 2 grundlegende Fälle zu unterscheiden:
I. Sie sind körperlich behindert und wollen den Führerschein erwerben.
II. Sie sind bereits im Besitz eines Führerscheins und werden durch Unfall oder Krankheit körperlich behindert.
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I. Sie sind körperlich behindert und wollen den Führerschein erwerben
Sie wenden sich an eine Fahrschule, schließen mit ihr einen Ausbildungsvertrag, und stellen über diese Fahrschule einen Antrag bei der für Sie zuständigen Führerscheinstelle.
In diesem Antrag müssen Sie angeben, ob Ihre körperlichen Fähigkeiten in irgendeiner Weise durch Unfall oder Krankheit eingeschränkt sind.
Die Verwaltungsbehörde muß nun Ihre körperliche und geistige Eignung zum Führen von Kraftfahrzeugen prüfen. Dazu benötigt sie die Hilfe von Fachleuten:
1.) ein Amts- oder fachärztliches Gutachten (wobei man immer dem Facharzt den Vorzug geben sollte).
Dieses Gutachten ist die Grundlage für alle weiteren Untersuchungen. Begnügen Sie sich daher nicht mit irgendwelchen Freßzetteln oder Attesten und Bescheinigungen ohne ausreichende Aussagekraft. Achten Sie hierbei - wie bei allen anderen Dokumenten auch - unbedingt darauf, daß Sie immer im Besitz eines Originals bleiben!
und / oder
2.) das Gutachten eines amtlich anerkannten Sachverständigen oder Prüfers für den Kraftfahrzeugverkehr (das sind in den alten Bundesländern die Sachverständigen des TÜV und in den neuen Bundesländern die der DEKRA).
Dieser Sachverständige schlägt der Verwaltungsbehörde die Beschränkungen und Auflagen für Ihre Fahrerlaubnis vor.
Sie sind frei in der Wahl Ihres Sachverständigen. Lassen Sie sich von den Sachverständigen beraten und beauftragen Sie den, zu dem Sie Vertrauen haben. Lassen Sie sich alle Beschränkungen und Auflagen erklären, fragen Sie nach Begründungen.
Sie dürfen nicht mehr eingeschränkt werden als unbedingt erforderlich ist. Das gilt auch, wenn Sie einen Kostenträger haben. Der bezuschußt meist nur das, was im Führerschein steht. Auch dann gilt: Nicht mehr einschränken als unbedingt erforderlich, auch wenn Sie dann das eine oder andere nützliche Hilfsmittel selbst bezahlen müssen.
und / oder
3.) ein Medizinisch-Psychologisches Gutachten bei Besonderheiten im Einzelfall.
Diese Besonderheiten sind alle Fälle, bei denen in irgendeiner Weise das Gehirn beteiligt ist, z.B.:
- Schädel-Hirn-Trauma
- ICP (Infantile Cerebral-Parese oder spastische Lähmung)
- Schlaganfall
- Spina bifida (offener Wirbelkanal)
- Multiple Sklerose
oder die Fälle, in denen der Sachverständige bei der Fahrprobe irgendwelche Auffälligkeiten feststellt.
Die Verwaltungsbehörde fordert die erforderlichen Gutachten von Ihnen an. Sie müssen diese Gutachten beibringen, da die Behörde sonst davon ausgehen muß, daß Sie etwas zu verbergen hätten.
Aber ganz egal, um welches Gutachten es sich handelt und wer das Gutachten bezahlt:
Sie sind der Auftraggeber des Gutachtens!
Sie müssen ein Original des Gutachtens erhalten ( es sei denn, Sie haben schriftlich darauf verzichtet).
Alle Gutachter unterliegen der Schweigepflicht! Sie müssen den Gutachter daher durch Unterschrift ermächtigen, das Gutachten an bestimmte Stellen weiterzuleiten.
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II. Sie sind bereits im Besitz eines Führerscheins und werden durch Unfall oder Krankheit körperlich behindert
Die Fahrerlaubnisverordnung (FeV) (§2 FeV 3) besagt sinngemäß:
Wenn ein Fahrzeugführer in seinen Fähigkeiten in irgendeiner Weise eingeschränkt ist, so muß Vorsorge getroffen werden, daß er andere nicht gefährdet.
Und dann heißt es wörtlich: "Die Pflicht zur Vorsorge obliegt dem Verkehrsteilnehmer selbst".
Das Gesetz geht also von der Eigenverantwortlichkeit des Einzelnen aus. Wir alle haben in der Ausbildung bei der Fahrschule gelernt:
"Jeder hat sich so zu verhalten, daß kein anderer mehr als nach den Umständen unvermeidbar gefährdet wird".
Wenn ich also eine Behinderung erleide, so kann ich mich an eine Umrüstfirma wenden mit dem Auftrag, mein Fahrzeug so umzurüsten, daß ich auch unter den veränderten Umständen wieder sicher fahren kann (die Änderungen am Fahrzeug müssen dann zumeist von einem Sachverständigen abgenommen und im Fahrzeugbrief und -schein eingetragen werden).
Und trotzdem ist eine Begutachtung mit anschließendem Eintrag im Führerschein auch hier zu empfehlen:
Wenn ein behinderter Autofahrer in einen Unfall verwickelt wird, so muß er unter Umständen nachweisen, daß er das umgerüstete Fahrzeug sicher und ohne Gefährdung anderer führen konnte (unabhängig von der Frage der Schuld an dem
Unfall).
Liegt dagegen ein Gutachten und damit ein Eintrag im Führerschein vor, so muß die Gegenseite beweisen, daß der Behinderte trotz der Umrüstung seines Fahrzeugs nicht sicher fahren konnte, daß somit das Gutachten fehlerhaft war. In jedem Fall eine Umkehr der Beweislast.
Es gibt auch noch einen weiteren Grund, sich freiwillig einer Begutachtung zu unterziehen:
Wie schon gesagt, bezuschußt ein möglicher Kostenträger die Fahrzeugumrüstungen, die laut Eintrag im Führerschein erforderlich sind. Voraussetzung für den Eintrag ist das Gutachten.
Die Begutachtung wird angeordnet, wenn der Behörde die Behinderung bekannt wird (z.B. nach Polizeikontrollen oder durch einen Unfall).
Wenn Sie sich freiwillig einer Begutachtung unterziehen wollen, so wenden Sie sich zuerst an Ihren Facharzt, und dann mit diesem ärztlichen Gutachten an den Sachverständigen Ihrer Wahl. Anhand der Ausführungen in Kapitel I können Sie selbst beurteilen, ob auch ein Medizinisch-Psychologisches Gutachten erforderlich ist.
Mit diesen Gutachten wenden Sie sich an die für Sie zuständige Führerscheinstelle und erhalten so den Eintrag in den Führerschein. Wurde die Begutachtung dagegen angeordnet, so läuft sie ab wie in Kapitel I beschrieben.
Welche Anforderungen werden an ein Gutachten gestellt ?
Die sogenannte Eignungsrichtlinie besagt ganz eindeutig:
Gutachten müssen in allgemeinverständlicher Sprache abgefaßt sowie nachvollziehbar und nachprüfbar sein. Die Nachvollziehbarkeit betrifft die logische Ordnung (Schlüssigkeit) des Gutachtens. Sie erfordert die Wiedergabe aller wesentlichen Befunde und die Darstellung der zur Beurteilung führenden Schlußfolgerungen.
Der Umfang eines Gutachten richtet sich nach der Befundlage. Bei eindeutiger Befundlage wird das Gutachten knapper, bei komplizierter Befundlage ausführlicher erstattet.
Diese Aussagen gelten für alle Gutachten.
Das Medizinische Gutachten
Das medizinische Gutachten ist die Grundlage der gesamten Eignungsbegutachtung.
Die Sachverständigen sind Ingenieure. Sie sind nur dann in der Lage, die erforderlichen technischen Umrüstungen für Ihr Fahrzeug festzulegen, wenn Sie zuvor durch das medizinische Gutachten ausreichend über Art und Ausmaß Ihrer Behinderung informiert wurden. Schließlich sollen Sie so wenig wie möglich in Ihrer Freizeit eingeschränkt sein, und dabei sich selbst und andere so wenig wie möglich gefährden.
Das medizinische Gutachten sollte die folgenden Angaben enthalten:
• Die Diagnose (möglichst in verständlicher Sprache)
• Eine Aussage darüber, ob es sich bei der Ursache für die Behinderung um einen Unfall oder um eine Erkrankung handelt
• Wenn es sich um eine Erkrankung handelt: - ist diese Erkrankung progressiv oder statisch?
• Wenn eine progressive Erkrankung vorliegt: - in welchen Abständen werden ärztliche Kontrolluntersuchungen für
erforderlich gehalten?
(Eine erneute Begutachtung durch einen Sachverständigen wird dann für erforderlich gehalten, wenn die ärztliche Untersuchung eine weitere Einschränkung der Fähigkeiten ergibt, die für das Autofahren von Bedeutung wären.)
• Die Auswirkungen der Behinderung auf den Körper, soweit dies für das Autofahren von Bedeutung ist, d.h.
• Beweglichkeit der Gliedmaßen bzw. deren Einschränkung
• Kraftentfaltung, Feinmotorik
• Funktionsfähigkeit der Gelenke, z.B.: Treten Schmerzen bei Bewegungen auf? Besteht die Möglichkeit, daß Bewegungen
aus Schmerzgründen unterbleiben oder nicht in dem erforderlichen Maße
ausgeführt werden?
• Müssen Medikamente eingenommen werden?
• Wenn ja: beeinträchtigen diese Medikamente die Fahreignung?
• Ist bei der Behinderung in irgendeiner Form das Gehirn beteiligt?
• Und ganz zum Schluß: Bestehen aus ärztlicher Sicht Bedenken gegen das Führen von Kraftfahrzeugen?
Hinweise zum Thema "Fahrprobe"
Warum ist eine Fahrprobe erforderlich?
Im Gesetzestext wird gefordert, daß der Sachverständige in der Regel eine Fahrprobe durchführen soll, "um festzustellen, daß der Behinderte das Fahrzeug mit den ggf. erforderlichen besonderen technischen Hilfsmitteln sicher führen kann".
Von dieser Forderung sollte nur abgewichen werden, wenn Art und Ausmaß der Behinderung sowie deren Einfluß auf die Fahrfähigkeit ganz eindeutig feststehen und Zweifel ausgeschlossen sind.
Worin unterscheidet sich die Fahrprobe von der Führerschein-Prüfung?
Bei der Führerscheinprüfung soll geprüft werden, ob der Kandidat die Verkehrsregeln beherrscht und ob er sich mit dem Fahrzeug sicher im Verkehr bewegen kann.
Unterläuft ihm bei der Prüfung ein Fehler, so hat er die Prüfung nicht bestanden und muß nochmals antreten.
Bei der Fahrprobe soll festgestellt werden, ob der Kandidat grundsätzlich zum Führen von Kraftfahrzeugen geeignet ist. Unterläuft ihm dabei ein Fehler, so wird untersucht, warum dies geschehen ist. Die Frage, die sich stellt ist die: War der Fehler ausbildungs- oder behinderungsbedingt?
Eine Fahrprobe wird auf die speziellen Probleme der Behinderung zugeschnitten. Was bei der Fahrprobe von dem Kandidaten gefordert wird muß der Situation und der Behinderung angemessen sein.
Eine Fahrprobe sollte unbedingt vor der praktischen Führerscheinprüfung durchgeführt werden, wenn die Ausbildung sich bereits der Prüfungsreife nähert.
Eine nicht bestandene Prüfung kann problemlos wiederholt werden. Wird dagegen eine Fahrprobe nicht bestanden, so heißt das doch im Klartext:
"Zum Autofahren nicht geeignet!"
Einer solchen Doppelbelastung sollte man sich nicht aussetzen.
Worin unterscheidet sich die Führerscheinprüfung eines behinderten Kandidaten von der eines nicht behinderten Kandidaten?
Ganz einfach: Gar nicht !
Wenn Sie die geforderten medizinischen und technischen Gutachten beigebracht haben, so ist die Frage der Eignung geklärt:
Sie sind zum Führen von Fahrzeugen geeignet ! Falls erforderlich, eben mit Einschränkungen.
Der Prüfer hat Sie dann so zu behandeln wie jeden anderen Kandidaten auch ! Er darf von Ihnen nur das fordern, was er von jedem anderen Kandidaten auch fordert.
Forderungen mit der Begründung, Sie müßten zeigen, daß Sie zu der einen oder anderen Aktion fähig seien (bei einem nicht behinderten Kandidaten könne man davon ausgehen, daß er dazu fähig sei) sind nicht zulässig.
So weit, so gut.
Abschließend sei bemerkt, daß hier natürlich nicht alles und in letzter Ausführung behandelt wird. Bei weiteren Fragen wenden Sie sich bitte an uns.